Menschen mit Behinderungen werden in vielen Gesellschaften ausgegrenzt. In Kambodscha geben unsere TV Trainings ihnen nun eine neue Öffentlichkeit - und den Journalisten das nötige Feingefühl.
Es ist der zweite Drehtag. Raksmey An, Journalistin und Teilnehmerin des TV Trainings, hat ihre Vorbehalte bereits überwunden. Wie selbstverständlich vertraut sie einem Mitarbeiter der Behinderteneinrichtung "Epic Arts" ihr sperriges Stativ und die Kameratasche an, damit er ihr hilft, das Equipment per Motorrad zum nächsten Drehort zu fahren. Der Mitarbeiter hat keine Arme, hat aber gelernt mit Kopf, Schultern und Beinen seine Behinderung auszugleichen. "Da war für mich das Kursziel schon erreicht", sagt TV Trainerin Bettina Ruigies. "Raksmey hatte vorher noch nie mit Menschen mit Behinderungen zusammen gearbeitet, und schon machte sie keinen Unterschied mehr zwischen Menschen mit und ohne Behinderung."
Im November und Dezember 2012 hat die DW Akademie ein insgesamt vierwöchiges Training für kambodschanische Journalisten, Kameraleute und Cutter durchgeführt. Zum einen sollten die sonst von der Gesellschaft ausgeschlossenen Menschen mit Behinderungen eine neue Öffentlichkeit bekommen, zum anderen wurde dokumentarische Fernseharbeit vermittelt.
"Inclusion of people with disabilities" - ein TV Training mit zwei Zielen:
1) Zum einen ging es darum, Menschen mit Behinderungen stärker in die kambodschanische Gesellschaft zu integrieren.
2) Zum anderen sollte dokumentarische Fernseharbeit erlernt werden, die in Kambodscha bislang kaum verbreitet ist.
Für die 14 Teilnehmer, Mitarbeiter des Women's Media Center of Cambodia (WMC), war dieses TV Training in vielerlei Hinsicht ziemliches Neuland. Die Journalisten, Kameraleute und Cutter produzieren sonst Seifenopern mit sozialen Botschaften und arbeiten üblicherweise mit Skript und Schauspielern. Nun standen sie vor der Herausforderung, erstmalig dokumentarisch zu drehen.
"Anfangs hatten die Teilnehmer angenommen, dokumentarisches Filmen sei viel einfacher als Fiction", sagt Trainerin Bettina Ruigies, die den Workshop gemeinsam mit dem Mediengestalter Florian Kroker geleitet hat. Bei den ersten praktischen Übungen hätten sie aber schnell gemerkt, dass auch der Dreh mit realen Menschen an realen Drehorten sehr anstrengend sein kann. Schließlich ließe sich die Wirklichkeit nicht planen wie die Verfilmung eines Drehbuches. "Hinterher waren sie erstaunt, dass es ihnen gelungen war, Reportagen zu produzieren, die genauso mitreißend waren wie Seifenopern."
Workshop-Ergebnis: Reportage über "Epic Arts" in Kambodscha
Zwei intensive TV Trainings im November und Dezember 2012 vermittelten zunächst die Grundlagen des dokumentarischen Arbeitens und gaben den Teilnehmern anschließend genügend Produktionszeit, ihre ersten eigenen Filme zu realisieren. So entstanden die einfühlsamen und für kambodschanisches Fernsehen ungewohnten Portraits von einem blinden Masseur-Ehepaar, einem blinden PR-Mitarbeiter und einer Dorfschülerin, die durch einen Unfall einen Arm und ein Bein verloren hat. Gemeinsam realisierten die Teilnehmer schließlich einen kurzen Dokumentarfilm über die Organisation "Epic Arts" in der süd-kambodschanischen Stadt Kampot.
Jenseits der Unterschiede
In Kambodscha sind Menschen mit Behinderungen gesellschaftlich ausgegrenzt. Einige leben als Bettler auf der Straße, andere werden in Einrichtungen weggesperrt. Das kambodschanische Disability Action Council (DAC) schätzt, dass Menschen mit Behinderung etwa fünf Prozent der Bevölkerung ausmachen. Laut dem UN Economic and Social Commission for Asia and the Pacific (UNESCAP) sind drei Faktoren für diese hohe Rate verantwortlich zu machen: Kriegsverletzungen, Verstümmelungen durch Minen und eine mangelhafte Gesundheitsversorgung.
Im November und Dezember hat die DW Akademie ein insgesamt vierwöchiges Training für kambodschanische Journalisten, Kameraleute und Cutter durchgeführt. Zum einen sollten die sonst von der Gesellschaft ausgeschlossenen Menschen mit Behinderungen eine neue Öffentlichkeit bekommen, zum anderen wurde dokumentarische Fernseharbeit in Kampot vermittelt.
"Zunächst empfanden unsere Teilnehmer vor allem Mitleid für die Menschen mit Behinderungen. Als sie dann aber merken, was für ein glückliches und selbstbestimmtes Leben sie führen können, wenn sie gezielt gefördert werden, änderte sich ihre Wahrnehmung", so Ruigies.
Über Menschen mit Behinderungen haben die kambodschanischen Medien bislang kaum berichtet, sei es aufgrund von Ignoranz oder Unwissenheit. Unsere TV Trainings, die wir in Kooperation mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und dem Women's Media Centre of Cambodia (WMC) realisieren konnten, möchten dazu beitragen, das Medienbild von Menschen mit Behinderung in der kambodschanischen Gesellschaft zu verbessern.
Die meisten Teilnehmer haben dank des Trainings erstmalig Menschen mit Behinderungen näher kennengelernt - für viele eine Erfahrung, die ihnen die Augen öffnete. Diese menschliche Begegnung war für sie ebenso wichtig wie das journalistische Training.
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