„Sie haben Anspruch darauf, über Ihre Rechte aufgeklärt zu werden". Eine neue Regelung, die Verdächtigen und Beschuldigten in Strafverfahren unionsweit das Recht auf Belehrung zuerkennt, wurde jetzt im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Im Juli 2010 hatte die Europäische Kommission die Richtlinie über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren vorgeschlagen, über die das Europäische Parlament am 13. Dezember 2011 abgestimmt hatte (siehe IP/11/1534) und die am 27. April 2012 von den Justizministern der EU-Mitgliedstaaten verabschiedet worden war (siehe IP/12/430). Diese Regelung wird gewährleisten, dass in EU-Ländern jede Person, die festgenommen wird oder gegen die ein Europäischer Haftbefehl ergeht, eine Rechtsbelehrung, die sogenannte Erklärung der Rechte, erhält, in der ihre grundlegenden Rechte in Strafverfahren aufgelistet sind. Die Umsetzung in innerstaatliches Recht muss innerhalb der nächsten zwei Jahre erfolgen. Das Recht auf Rechtsbelehrung existiert derzeit lediglich in etwa einem Drittel der Mitgliedstaaten1.

 

„Mit dieser Richtlinie haben wir jetzt einen weiteren zentralen Pfeiler des Europäischen Rechtsraums geschaffen. Die neue Richtlinie über das Recht auf Belehrung wird dazu beitragen, jedem EU-Bürger das Recht auf ein faires Verfahren zu garantieren. Es wird gewährleisten, dass einer Straftat verdächtigte oder beschuldigte Personen unmissverständlich und unmittelbar über ihre Rechte aufgeklärt werden", sagte Vize-Präsidentin und Justizkommissarin Viviane Reding. „Die neue Regelung wird insbesondere den Millionen Urlaubern und anderen EU-Bürgern, die durch die EU reisen und die in ein Strafverfahren verwickelt werden, zugute kommen: Sie haben von nun an einen Anspruch darauf, in einer ihnen verständlichen Sprache über ihre Rechte aufgeklärt zu werden. Dies wird dazu beitragen, Justizirrtümer zu vermeiden. Ich vertraue jetzt darauf, dass die Mitgliedstaaten diese neue EU-Richtlinie unverzüglich – und nicht erst kurz vor Ablauf der Frist – in ihr innerstaatliches Recht umsetzen, damit es für die 500 Millionen Unionsbürger greifbare Realität werden kann."

Hintergrund

Die Europäische Kommission hatte den Richtlinienvorschlag im Juli 2010 (IP/10/989) zusammen mit einer ganzen Reihe weiterer Vorschläge zu den Verfahrensrechten, die für die gesamte EU gelten sollen, vorgelegt. Es handelt sich bereits um die zweite Richtlinie des von der EU-Kommissarin Viviane Reding angeregten Maßnahmenpakets zur Festlegung gemeinsamer EU-Mindeststandards in Strafverfahren, mit dem die EU das Vertrauen in den einheitlichen Rechtsraum der EU stärken will. Der erste Vorschlag, der verdächtigten und beschuldigten Personen das Recht auf Übersetzung und Verdolmetschung garantiert, wurde vom Europäischen Parlament und vom Rat im Oktober 2010 angenommen (IP/10/1305).

Die neue Richtlinie gewährleistet, dass Polizeibeamte und Staatsanwälte Verdächtige über ihre Rechte belehren. Nach einer Festnahme werden die Behörden diese Belehrung schriftlich - in Form einer Erklärung der Rechte - erteilen, die in einfacher und leicht verständlicher Sprache abgefasst ist. Sie wird dem festgenommenen Verdächtigen in jedem Fall – ob er darum ersucht oder nicht – ausgehändigt und bei Bedarf übersetzt. Die Wahl des genauen Wortlauts der Rechtsbelehrung steht den EU-Staaten zwar frei, der Kommissionsvorschlag enthält jedoch bereits ein Muster in 22 EU-Sprachen (siehe Anhang). Dies wird EU-weit für Kohärenz sorgen und die Kosten für Übersetzungen einschränken.

Die Rechtsbelehrung enthält praktische Einzelheiten zu den Rechten von Festgenommenen oder Inhaftierten, und zwar zu ihrem Recht,

die Aussage zu verweigern,

einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen,

über den Tatvorwurf belehrt zu werden,

Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen in einer beliebigen Sprache in Anspruch zu nehmen, wenn sie die Verfahrenssprache nicht verstehen,

nach der Festnahme unverzüglich einem Richter vorgeführt zu werden,

Andere von ihrer Festnahme oder Inhaftierung in Kenntnis zu setzen.

Die Rechtsbelehrung wird dazu beitragen, Justizirrtümer zu vermeiden und die Zahl der Rechtsmittelverfahren zu verringern.

Die Aussichten, dass Bürger, denen eine Straftat zur Last gelegt wird und die von der Polizei festgenommen wurden, ordnungsgemäß über ihre Rechte informiert werden, sind derzeit von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich. In einigen Mitgliedstaaten werden Verdächtige nur mündlich über ihre Verfahrensrechte informiert, in anderen erhalten sie eine schriftliche Belehrung, aber nur auf Nachfrage.

Gemäß Artikel 82 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union kann die EU zur Erleichterung der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile und Entscheidungen und der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen Maßnahmen erlassen, um die Rechte der EU-Bürger im Sinne der EU-Grundrechtecharta zu stärken.

Das Recht auf ein faires Verfahren und das Recht auf Verteidigung sind in Artikel 47 und 48 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie in Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert.

Im Juni 2011 legte die Kommission einen dritten Vorschlag vor, der das Recht auf Rechtsbeistand und Benachrichtigung der Familie garantieren soll (IP/11/689). Über den Vorschlag wird derzeit im Europäischen Parlament und im Rat beraten.

Weitere Informationen

Homepage von Vizepräsidentin und Justizkommissarin Viviane Reding:

http://ec.europa.eu/reding

Egal ob Sie sich in Griechenland, Frankreich, Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien, Großbritannien, Luxemburg, Belgien, Niederlande, oder anderswo in der EU befinde, auch wenn Sie nur Deutsch, Slowakisch, Griechisch, Französisch oder Italienisch, sprechen, trotzdem, haben Sie das Recht mit der Unterstützung einer Dolmetscherin oder eines Dolmetschers zu sprechen. Professionelle Dolmetscher und Übersetzer arbeiten in allen Ländern in der EU, jetzt das neue Gesetz die Rechte der EU-Bürger stärkt, basierend auf der EU-Charta der Grundrechte.

 

Elef Vakalis ist Öffentlich bestellt und vereidigt - (Gutachter) - bei der Cour d'appel (Oberlandesgericht/Berufungsgericht) Tgi Paris Frankreich.

update : 2016